Ulrich Leive hat den Engelsturz 14 Mal gemalt. Ich entscheide mich für diese Variante. Sie spricht mich aus einem ganz speziellen Grund an, nämlich wegen der im Hintergrund brennenden Stadt.
Der Kopf des Propheten rechts mit seinem durchdringend weitsichtigen Blick und seine fast erschrocken erhobenen Hände zeigen uns schon an, dass es hier um etwas Besonderes geht. Ein Engel kommt wie ein leuchtender Blitz kopfüber vom Himmel gestürzt. Dreht man das Bild um, merkt man, wie erstarrt seine Figur ist, wie leidvoll seine Augen und sein schmerzverzerrter Mund dreinschauen. Unten wartet auf ihn ein gehörntes Ungeheuer und eine Made, die sich beide auf den Fraß des frischen Fleisches freuen.
Was sagt denn der biblische Text? Der König von Babylon sei gefallen; das ist aber schon lange her. Wir heutigen Menschen werden aber hellhörig, wenn wir Worte hören wie diese: „Du hast dein eigenes Land zugrunde gerichtet, hingemordet dein eigenes Volk“. Sind wir selber denn nicht Zeugen ähnlicher Ereignisse? Gibt es nicht Tyrannen genug, welche die Erde mit Krieg überziehen, Städte, ja Länder in Brand setzen und zertrümmern? Wehe ihnen, sie werden aus ihrem Himmel stürzen, und die von ihnen Erlösten werden jubeln vor Freude wie die Menschen links in Leives Bild; Liebende können aufatmen und in Frieden leben wie das Paar rechts hinten. Noch immer ist es so gegangen.
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