Das ist ein wohlbekanntes Wallfahrtslied. Ulrich Leive malt aber nicht den Blick zu den Bergen, von denen der Beter Hilfe erhofft. Er konzentriert sich auf den eindrücklichen Vers 6: „Bei Tage wird dich die Sonne nicht stechen noch der Mond des Nachts“.
Dem Beter - er liegt unten links ganz klein auf seinem Lager - träumt, er sei wie von einer Schutzhülle umgeben, welche die Form eines Herzens hat, das selber den Leib einer Frau (oder eines Engels) umgibt. Ein Bild der absoluten Geborgenheit. Vor wem oder vor was?
Man muss nicht lange suchen: links strahlt die Sonne in einem gleißenden Licht, ist üübergroß, gefährlich, dringt mit einer ihrer Strahlen sogar in das Versteck des Beters. Das Leben vor dem drohenden „Stich“ der Sonne wird ihm nur gerettet durch den dunklen Vorhang (oder Engelflügel), der ihn vor der alles versengenden Hitze schützt.
Auf der rechten Seite droht eine andere Gefahr: der Mond - er scheint in ganz fahlem rotem Licht. Wie kann denn der Mond den Menschen „stechen“? Durch seine Unheimlichkeit, die Angst einjagt. Man ahnt, dass da in der Dunkelheit allerlei Tiergestalten auftauchen, nicht sehr gefährlich, aber doch bedrohlich, weil nicht zu fassen.
Der Psalm fährt fort mit den Worten: „Der Herr behütet dich vor allem Bösen, er behütet dein Leben. Der Herr behütet deinen Ausgang und Eingang von nun an bis in Ewigkeit“ (Verse 7 und 8). Erst jetzt erkennen wir, dass derselbe Beter, nun in Weiß, fröhlich dasteht oder flötet, einmal drinnen, einmal draußen. Er ist ja überall behütet, was sollte ihm zustoßen?
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